Turmfalken im Corbusierhaus
Michael von Rein

Wissenswertes - Turmfalken 

Der Turmfalke (Falco tinnunculus), auch Rüttelfalke genannt, gehört innerhalb der Familie der Falkenartigen (Falconidae) zur Gattung der Falken (Falco). Im Englischen wird der Turmfalke Common Kestrel genannt.
Der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) und der Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) wählten den Turmfalken zum Vogel des Jahres 2007.
Aussehen und Maße
Der Turmfalke ist gegenüber seinem Verwandten dem Wanderfalken (Falco peregrinus) ein verhältnismäßig kleiner Greifvogel. Das Männchen (Terzel) erreicht eine Körperlänge von etwa 345 Millimeter und das Weibchen eine Körperlänge von etwa 357 Millimeter. Die Flügelspannweite bei dem Männchen beträgt im Mittel 736 Millimeter und 764 Millimeter bei dem Weibchen. Das Körpergewicht differiert noch stärker zu Gunsten des Weibchens, das etwa 260 Gramm wiegt und damit ein knappes Drittel schwerer ist als das Männchen, das etwa 200 Gramm Körpergewicht erreicht. Die unterschiedliche Größe der Geschlechter und die besondere Größe des weiblichen Turmfalken ist als umgekehrter Geschlechtsdimorphismus bekannt. Der Kopf, der Nacken sowie die Halsseiten des Männchens weisen eine graubläuliche Färbung auf. Die Wachshaut und der Augenring sind zitronengelb getönt.


 Turmfalken Männchen

Turmfalken Weibchen


Wie die anderen Falken, so weist auch der Turmfalke schwarze Bartborsten auf. Der Rücken des Männchens ist rotbraun gefärbt und ist mit dichten kleinen schwarzen Flecken in Form von Tropfen versehen. Die Oberschwanzdecken, der Bürzel sowie der Schwanz weisen eine graublaue Tönung auf. Das Schwanzende zeigt eine schwarze Endbinde und ist mit einem weißen Saum abgesetzt. Die Armschwingen und die Handschwingen weisen eine schwärzliche Färbung auf. Das Kinn ist weißlich und die Unterseite ist hell cremefarben, die mit bräunlichen Streifen und Sprenkeln versehen ist. Der Unterbauch und die Unterflügeldecken sind fast weißlich gefärbt. Der dunkelgraue Schnabel ist relativ kurz und schon ab Schnabelansatz gebogen. Die Extremitäten und die Klauen sind kräftig ausgebildet und weisen eine gelbliche Färbung auf. Bei dem Weibchen sind der Kopf und der Nacken kastanienbraun getönt und mit dunkelbraunen Streifen durchzogen. Die Bartborsten sind bei dem Weibchen weniger ausgeprägt als bei dem Männchen. Der Rücken und der Bürzel sind leicht graubläulich, zudem ist der Rücken des Weibchens dunkel quergebändert. Der Schwanz des Weibchens ist ebenfalls kastanienbraun und es zeigt sich eine breite schwarzbraune Endbinde und mehrere Querstreifen. Die Handschwingen weisen eine schwarzbraune Tönung auf und die Armschwingen sind mit braunen Streifen versehen. Auch die Unterseite des Weibchens ist dunkler als bei dem Männchen und weist eine stärkere Fleckung auf.



Im Flugbild wirkt der Turmfalke meist spitzflügelig und langschwänzig. Damit ist er deutlich vom Sperber (Accipiter nisus) zu unterscheiden, der einen etwas länger wirkenden Stoß (Schwanz) und die typischen kurzen runden Flügel eines waldbewohnenden Greifvogels hat. Außerdem sieht man den Sperber (Accipiter nisus) in der offenen Landschaft im Vergleich zu dem Turmfalken nur selten. Eine Verwechslungsmöglichkeit besteht dagegen eher mit dem ziemlich seltenen Baumfalken (Falco subbuteo). Dieser ist noch spitzflügeliger als der Turmfalke. Er hat dafür aber einen deutlich kürzeren Schwanz, der sich meist nach hinten verjüngt.

Im Winter wird er meist mit dem Merlin (Falco columbarius), dem kleinsten europäischen Falken verwechselt.Wenn der Turmfalke sitzt, dann reichen die Flügelspitzen fast bis zur Schwanzspitze. Junge Turmfalken haben zunächst viel kürzere Flügel. Sie sind überwiegend bräunlich gefärbt und gleichen damit dem adulten Weibchen, wobei das Gefieder mehr gestreift ist. Erst in einem Alter von zwei bis drei Jahren erhalten die jungen Turmfalken das adulte Gefieder. Die Geschlechtsreife erreichen sie aber schon mit einem Jahr.  


Mauser:


1. Handschwingen (HS 1-10) - 2. Handdecken - 3. Daumenfittich - 4. Armschwingen - 5. Große Armdecken - 6. Mittlere Armdecken - 7. Kleine Armdecken - 8. Schirmfedern - 9. Schulterfedern


Zur gleichen Zeit, in der die Jungen unabhängig werden, macht das Männchen eine ebenso wichtige wie anstrengende Phase durch, und zwar die Mauser. Das Weibchen hat damit schon während der Brut begonnen und verfügt deshalb über mehr Zeit, das Gefieder zu wechseln. Die Federn bestehen aus Keratin, einem Protein, das sich beispielsweise auch in menschlichen Haaren befindet. Das Federkleid des Vogels ist starken physikalischen Belastungen ausgesetzt. Die Gefiederpflege nimmt daher täglich mehrere Stunden in Anspruch. Zudem müssen die verschlissenen Federn in bestimmten Abständen ausgewechselt werden. Der Turmfalke wechselt mit der Mauser einmal jährlich das gesamte Federkleid.
Die jährliche Erneuerung von wichtigen Gefiederpartien ist für einen Greifvogel absolut lebensnotwendig. Für Beutegreifer ist es dabei von ausschlaggebender Bedeutung, dass auch während dieser Phase die Flug- und Manövrierfähigkeit größtenteils erhalten bleibt. Die Mauser wird daher schrittweise durchgeführt und beschränkt sich jeweils auf das gleichzeitige Auswechseln einzelner Schwungfedern und Steuerfedern. Die meisten Federn der Altvögel werden im August und im September vermausert. Dann sind die Flügel und der Schwanz recht lückenhaft. Der Turmfalke verbringt jetzt die meiste Zeit sitzend und jagt in der Regel aus dem Ansitz, da Rütteln mit solch lückenhaftem Gefieder offensichtlich nur wenig einbringt. Auch der tägliche Jagdaufwand liegt während dieser Zeit auf niedrigem Niveau. Scheinbar ruhen die Altvögel nach der anstrengenden Periode der Jungenaufzucht aus. In Wirklichkeit ist ihr Stoffwechsel aber hoch aktiv. Das komplette Federkleid wiegt etwa 20 bis 25 Gramm und damit etwa 10 Prozent vom Körpergewicht. Der Nahrungsmehrbedarf während der Mauser liegt bei zwei bis drei Mäusen pro Gramm Federn. Die Mauser dauert für beide Geschlechter etwa 130 Tage. Der Nahrungsmehrbedarf liegt dann bei 60 bis 70 zusätzlichen Mäusen, weil die Stoffwechselrate in diesem Zeitraum um bis zu 30 Prozent ansteigt. Dies ist bedingt durch ein Anstieg des Blutvolumens, eine erhöhte Körpertemperatur, aber auch durch höheren Wärmeverlust wegen des reduziert isolierenden Körpergefieders. Die Mauser findet daher zu einer sehr warmen Jahreszeit statt, wenn auch die Nahrungsversorgung bei der Ansitzjagd noch gut ausreichend ist.
Mauserverlauf der Stossfedern (ST) - zuerst die inneren, dann die äußeren Federn.
Alle Falkenarten mausern nach einem einheitlichen Muster. Die Handschwingen werden üblicherweise von innen nach außen gezählt, die Armschwingen von außen nach innen wie auch die Schwanzfedern. Ein typischer Mauserverlauf der Handschwingen sieht folgendermaßen aus: 4-5-6-3-7-8-2-9-10-1. Für die Schwanzfedern gilt: 1-6-2-3-4-5, also wird zuerst die innere, dann die äußere und im folgenden alle Federn von innen nach außen ausgetauscht. Der hin und her springende Federwechsel soll die Flugfähigkeit am besten gewährleisten.
Obwohl dieses Schema zunächst etwas chaotisch anmutet, hat es sich in der Evolution der Falkenarten stabil gehalten, was bedeutet, dass es mindestens kein selektiver Nachteil sein kann. Die Mauser der Jungvögel beginnt während des ersten Winters. Doch hier gibt es zunächst kein erkennbares Mauserschema. Die Jugendmauser kann bis in den ersten Sommer andauern.
Sinne
Turmfalken können einen Käfer auf 50 Meter, einen kleinen Vogel sogar auf 300 Meter Entfernung erspähen. Dass Greifvögeln eine sagenhafte Sehschärfe im Vergleich zum Menschen zugesprochen wird, stimmt so nicht. Die Sehschärfe ist dabei nämlich nicht allein entscheidend, obwohl die Augen einiger Greifvögel eine höhere Auflösung zeigen. Beispielsweise haben die Augen des Schmutzgeiers (Neophron percnopterus) eine doppelt so hohe Auflösung als das Auge eines Menschen, was mit einer erhöhten Zahl von Sehzellen, den Zäpfchen korreliert. Das Auge des Greifvogels ist sehr groß, aber es wird durch eine lange Brennweite gekennzeichnet. Das Auge wirkt also zusätzlich wie ein Teleobjektiv. Möglicherweise viel wichtiger ist aber, wie das Gehirn beim Verrechnen der optischen Reize Bewegungen herausfiltert.
Es erscheint evolutionsbiologisch von Vorteil, nicht die Sehschärfe respektive die Auflösung zu verbessern, was ein noch größeres Auge bedingen würde, sondern die Bildauswertung zu optimieren. Man weiß letztendlich noch nicht viel über das Sehen bei Greifvögeln, doch alles deutet auf eine optimale Bildauswertung im Hinblick auf Bewegungssehen hin. Insgesamt verfügen Greifvögel über sehr große Augen wie das Schädelskelett eines Turmfalken verdeutlicht. Bei anatomischen Studien hat Piechocki, 1991 festgestellt, dass die Augen allein fünf Gramm wiegen, das gesamte Gehirn im Vergleich daher nur vier Gramm. Die Augengröße scheint damit ihre Maximalgröße im Vergleich zum Schädel bereits erreicht zu haben. Der Gehörsinn und der Geruchssinn spielen bei dem Turmfalken eine eher untergeordnete Rolle. Das äußere Ohr ist eine einfache Öffnung im Schädel ohne anatomische Strukturen zur Bündelung des Schalls.
Lautäußerung
Für den Turmfalken gibt es unterschiedliche charakteristische Lautäußerungen, die hier kurz erläutert werden. Zur Brutzeit hört man bei verschiedenster Art von Erregung Rufreihen, die wie ein schnelles "ki-ki-ki...", "kji-kji..." oder wie "kli-kli..." klingen. Am Brutplatz, besonders bei der Paarung, ruft das Weibchen ein schrilles, vibrierendes Lahnen (heftiges Futterbetteln) etwa wie "wrii..." oder wie "trii...". Bei der Abwehr von Flugfeinden hört man ein heiseres "gji-gji...". Die Begrüßung am Nistplatz wird von einem Kurzruf, der ähnlich wie ein "tük" klingt, begleitet. Hungrige Nestlinge lahnen laut etwa wie "zirr-zirr..." oder wie "wrii-wrii..." ähnlich wie bei den Altvögeln bei der Paarung
Zug
Es werden generell zwei Wanderbewegungen unterschieden: Den ungerichteten Wegzug der Jungvögel aus den Brutrevieren Ende Juli (Dismigration) und den gerichteten Herbstzug und Frühjahrszug der adulten und juvenilen Vögel. Nach der Familienauflösung im Juli und August verlassen die Jungen das Brutrevier.
Der Herbstzug findet in den Monaten September bis November statt. In Nordeuropa und Nordosteuropa ist der Turmfalke ein Zugvogel. Die Grenze zwischen Ziehen und Nichtziehen verläuft ungefähr entlang dem Gebiet mit andauernder Schneedecke im Winter. Die Überwinterungsgebiete nordeuropäischer Turmfalken liegen im mediterranen Raum und reichen bis Nordafrika und Zentralafrika, im Westen bis Ghana und Nigeria, im Osten bis zum Äquator. Die Überwinterungsgebiete der nordosteuropäischen Turmfalken ziehen sich vom Kaspischen Meer und dem südlichen Zentralasien bis in den Irak und den nördlichen Iran sowie in die nördliche Hälfte Vorderindiens. Turmfalken ziehen im Breitfrontzug über das Mittelmeer. Sie konzentrieren sich auch an den charakteristischen Zugstraßen, den Meerengen von Gibraltar und dem Bosporus. Die Hauptzugrichtung ist Südwest. Nur die britischen Falken müssen zunächst nach Südost orientieren, um auf den europäischen Kontinent zu gelangen. In Mitteleuropa treffen die ersten Rückkehrer ab Mitte Februar in ihrem Brutgebiet ein, die Mehrzahl erst einen Monat später.
Weiter nach Osten oder Norden verschiebt sich die Ankunft noch weiter bis Ende Mai. Der Frühjahrsdurchzug bei Cap Bon in Tunesien ist daher erst Anfang Mai abgeschlossen. In Mitteleuropa zeigen nur die Schweizer Turmfalken wegen der sehr gebirgigen Landschaft mit dauernden Schneelagen ein ausgeprägtes Zugverhalten, ansonsten sind sie Teilzieher, da die Turmfalken in harten Wintern die Mittelgebirge verlassen und sich in tiefen Lagen zurückziehen können. In Tälern wie zum Beispiel in der Niederrheinischen Bucht bei Köln und an der Küste halten sie sich das ganze Jahr über als Standvögel auf, die sich mit den Überwinterern aus den kälteren Regionen den Lebensraum teilen müssen. Die Aussagen über Zugverhalten, Zugrichtung und Zugdauer sind durch Wiederfunde von beringten Vögeln belegt. Die Wiederfundrate ist im stark besiedelten Mitteleuropa viel höher als im spärlich besiedelten Überwinterungsgebiet Afrikas, für das kaum Daten existieren. Auswertungen zum Zugverhalten liegen für einzelne Gebiete vor (zum Beispiel Gatter, 1972: Schwäbische Alb; Nielsen, 1983: Dänemark; Schifferli, 1965: Schweiz; Village, 1990: Großbritannien und Wallin et al., 1987: Schweden). Eine Gesamtbetrachtung für Mitteleuropa existiert bisher nicht. Die Situation im mediterranen Raum wurde zuletzt von Rob Bijlsma, 1987 beschrieben.
Verbreitung
Im Gegensatz zu vielen anderen Greifvogelarten sind Turmfalken Breitfrontzieher. Darunter versteht man Arten, die nicht auf genau definierten Zugstraßen zwischen Brutgebiet und Winterquartier, sondern breit gestreut über Land und Wasser fliegen. Sie können Alpen im Kraftflug überqueren. Die Turmfalken ziehen sogar am Großglockner in über 3.000 Meter Höhe, ebenso über den Pyrenäen. Die Barriere Mittelmeer, die von den anderen Greifvögeln nur im Bereich des Bosporus, bei Gibraltar oder über Sizilien nach Cape Bon in Tunesien überquert wird, können Turmfalken gut in ihrer gesamten Breite bewältigen. Trotzdem überqueren auch Turmfalken an Meerengen die See, da sie mit anderen Arten vergesellschaftet ziehen. Über die Lebensweise und Lebensbedingungen der Turmfalken in ihrem afrikanischen Winterquartier ist kaum etwas bekannt.
Die dort brütenden Arten werden in der Zeit von Oktober bis März möglicherweise zahlenmäßig von den Überwinterern aus Europa übertroffen. Sie finden sich in Afrika in den offenen Baumsavannen, in dem sie ihrem Lebensraum treu bleiben, meiden aber den tropischen Regenwald sowie weitgehend auch die Sahara und die Sahelzone. Der Turmfalke kann, wie kein anderer mitteleuropäischer Greifvogel, fast alle Lebensräume als potentielles Bruthabitat nutzen. Ausgenommen ist nur die hochalpine Stufe, in der oberhalb von etwa 2.400 Metern keine Bruten mehr nachgewiesen werden konnten sowie große, geschlossene Waldkomplexe. Als Spezies der offenen Landschaft stehen ihm heute etwa 70 Prozent Lebensraum in Deutschland zur Verfügung.
Als überwiegender Mäusejäger nutzt der Turmfalke Wiesen, extensiv genutztes Grünland, Ödland, Ackerrandstreifen und niedriges Getreide als Jagdgebiete. In Städten jagt er vorwiegend in Gärten, in Parkanlagen, auf Friedhofsanlagen, in Ödländern sowie auf Sportplätzen. Für die meisten Falkenpaare ist Ackerland der Fläche nach in ihrem Jagdhabitat am häufigsten vorhanden. Ackerland kann im Laufe des Jahres ganz unterschiedlich aussehen und durchläuft eine hohe Dynamik im Hinblick auf die Mäusehäufigkeit. Erreicht das Getreide eine Höhe von 30 Zentimeter, können die Falken dort nicht mehr jagen. Erst nach dem Mähen werden die Flächen wieder interessanter für die Falken. Wird das Feld danach sehr schnell wieder gepflügt, werden die Mäuse meist vernichtet. Nur die Ackerrandstreifen, kleine Ödlandzipfel zwischen Straßen und Feldwegen und das wenige Dauergrünland bieten noch einigermaßen ideale Bedingungen.
In städtischen Bereichen mit der permanenten Störung durch Menschen fällt die Jagd noch schwerer, da in den Parkanlagen, auf den Friedhofsanlagen oder in den Gärten die ungestörte Mäusejagd nicht immer möglich ist, entweder weil keine Mäuse vorhanden sind oder die Menschen stören. Die Vogeljagd ist für den Turmfalken recht mühsam. Turmfalken nutzen Bruthabitate und Jagdhabitate im Jahreslauf unterschiedlich. Optimale Bereiche des Jagdhabitats werden deutlich häufiger aufgesucht als dazwischen liegende Agrarsteppen. Ob ein geeigneter Nistplatz vorhanden ist, hängt primär von der Besiedlung durch andere Vögel wie zum Beispiel Raben und Krähen (Corvus) oder auch von anthropogenen Strukturen ab, die ein Nisten ermöglichen. Bruthabitat und Jagdhabitat fallen deshalb nicht immer zusammen, wie besonders die Brutplätze in Städten zeigen. Hier müssen die Falken teilweise mehrere Kilometer fliegen, um ihr Jagdhabitat zu erreichen.
Ernährung / Beutespektrum
Der Turmfalke ist bei der Nahrungssuche nicht sehr wählerisch. Kleinsäuger, aber auch Vögel (Aves), Lurche (Amphibia), Reptilien (Reptilia), Insekten (Insecta) und Gliederfüßer (Arthropoda) sind Hauptbestandteile des Speisezettels.
Einen hohen Anteil von Kleinsäugern, insbesondere von Wühlmäusen (Arvicolinae) wie Feldmäuse (Microtus), aber auch von Langschwanzmäusen (Muridae) wie Waldmäuse (Apodemus), Spitzmäuse (Soricidae), sogar Feldhamster (Cricetus cricetus) oder Mauswiesel (Mustela nivalis) wiesen Analysen von Mageninhalten und Gewöllen auf. Vögel, Insekten und andere Arten waren weniger vertreten. Gewölle sind Speiballen unverdaulicher Nahrungsreste, die wieder ausgewürgt werden. Dies passiert meist einmal pro Tag jeweils am frühen Morgen. Die Gewölle finden sich zu Dutzenden unter den Schlafplätzen von Turmfalken. Anhand der Gewölle konnte man auch feststellen, dass die Nahrungswahl eindeutig von der Nahrungserreichbarkeit diktiert ist, es wird eben gefressen, was leicht und einfach zu erbeuten ist. Mäuse machen mehr als 90 Prozent des Beuteanteils aus. Vögel werden besonders im Juni und Juli geschlagen, wenn der Jungvogelanteil der Populationen besonders groß ist. Insekten, hauptsächlich Käfer (Coleoptera), werden häufiger im Sommer und überwiegend von jungen Turmfalken erbeutet. Regenwürmer (Lumbricidae) bilden einen wichtigen Nahrungsbestandteil im Winter. Für Falken, die in der Stadt jagen, stellen Singvögel (Passeri) einen höheren Anteil dar, weil in den Städten kaum Grünlandflächen mit Feldmäusen vorkommen. Das Hauptbeutetier Feldmaus (Microtus arvalis) scheint seltener geworden zu sein, mindestens sind aber seine Zyklen oder Fluktuationen in der Kulturlandschaft deutlich geringer.
Zum Jagen gehört nicht nur Wendigkeit und gutes Sehen, auch Manövriervermögen und Geschwindigkeit sind wichtige Voraussetzungen. Im Horizontalflug können Turmfalken eine Geschwindigkeit von 50 bis 66 km/h erreichen. Sie können aber auch gemächliche Flüge vollführen, die dann nur eine Geschwindigkeit von 25 bis 34,5 km/h aufweisen. Mit 30 oder 60 Gramm beladen verringert sich die Geschwindigkeit um nur etwa 10 Prozent, selbst wenn die Flugdistanz 6 bis 13 km/h beträgt. Über die Geschwindigkeit beim Stoßflug ist nichts bekannt. Sie kann aber nicht viel wesentlich höher sein, da der Stoßflug auf eine Maus am Boden vorher so abgestoppt werden muß, dass sich der Falke nicht verletzt. Im Vergleich zum vogeljagenden Wanderfalken, der im Stoßflug mindestens 200 km/h erreicht, erscheint dieses Tempo geradezu behäbig.


Feldmaus

Feldhamster

Waldspitzmaus

Waldmaus


Jagdtechnik


Falken werden in der älteren Literatur (zum Beispiel Brüll, 1977) als Bisstöter beschrieben, im Vergleich dazu gelten Eulen (Strigiformes) als Grifftöter. Inwieweit dies wirklich zutrifft, ist nicht genau zu sagen. Sicherlich werden Mäuse in der Regel durch einen Biss in den Kopf getötet. Kleinen Mäusen, wie Wühlmäuse und Feldmäuse, wird dabei meist der ganze Kopf abgebissen und verzehrt.
Außerdem kann allein der Griff des Turmfalken, dessen verlängerte kräftige Hinterklauen tief in den Körper eindringen, zum sofortigen Tod der Beute führen. In mäusereichen Jahren kann man Mäuse in Falkenbrutplätzen finden, die äußerlich völlig intakt aussehen und auch keinen Kopfbiß aufweisen, also durch den Zugriff allein getötet worden sind. Es wird wohl von der Reaktion der Beute nach dem Schlagen abhängen, bewegt sich das Beutetier noch, wird es totgebissen und sonst wahrscheinlich nicht. Die Beutezusammensetzung hängt stark von den Jagdfähigkeiten der Einzelvögel und ihrer Erfahrung ab.
Junger Turmfalke
Die Männchen (Terzel) verspeisen mehr Insekten und weniger Langschwanzmäuse als die Weibchen. Junge männliche und weibliche Turmfalken erjagen mehr Insekten und weniger Vögel als die adulten Turmfalken. Jungvögel erbeuten damit mehr langsame, leicht zu überwältigende Beutetiere, was auf ihre geringe Jagderfahrung zurückzuführen ist. Turmfalken benutzen im Wesentlichen zwei Jagdtechniken. Sie jagen im Flug oder von einem Ansitz aus. In seltenen Fällen erbeuten sie Insekten oder Regenwürmer auch am Boden. Die Flugjagd ist charakteristisch und das Rütteln der Falken überall zu beobachten. Die Ansitzjagd dagegen wird nur vom aufmerksamen Beobachter bemerkt. Als Ansitz werden Telegraphenmasten, Bäume, Zaunpfähle oder jede andere Struktur benutzt, die einen guten Überblick über das Jagdrevier bietet. Auf abgeernteten Getreidefeldern pflegen die Falken auf den Strohballen zu sitzen.
Aus dem Ansitz jagen sie vor allem Insekten und Würmer. Vögel und Mäuse bleiben meist der Flugjagd vorbehalten. Vor allem Mäuse werden aus dem Rüttelflug geschlagen. Mit dem Vogelfang tun sich die meisten Turmfalken recht schwer. Unaufmerksame Singvögel überraschen Turmfalken bei der Nahrungsaufnahme und schlagen sie im Vorbeiflug, oft werden diese aber auch nur als Straßenverkehrsopfer eingesammelt. Von den selbst erbeuteten Vögeln sind die meisten noch unerfahrenen Jungtiere. Turmfalken haben längst nicht die Perfektion von Sperbern (Accipiter nisus), die im Vorbeiflug einen Vogel aus einem Busch schlagen. Die Nahrungsbeschaffung eines Terzels, der sein Weibchen und die Jungen, die älter als zehn Tage sind, zu versorgen hat, dauert zwischen zwei und acht, im Durchschnitt 4,9 Stunden (Masman, 1986).
In solchen arbeitsintensiven Zeiten betreiben Turmfalken hauptsächlich Flugjagd. Turmfalken bringt die Flugjagd etwa dreimal bis zehnmal mehr ein als die Ansitzjagd. Wiederum ist die Flugjagd sehr anstrengend und energieaufwendig. Sie bedeutet nur bei genügend Mäusen im Jagdgebiet energetischen Gewinn, weil der Falke beim Rütteln viel mehr Energie verbraucht und damit mehr fressen muß als im Ansitz. Um immer genügend Nahrung zu fangen, ist es günstig, beide Jagdmethoden zu kombinieren. Bei strenger Kälte im Winter, wenn jeder Falke für sich selbst sorgt, wird viel vom Ansitz gejagt. Im Frühjahr und im Sommer, wenn die Jungen zu versorgen sind, wird mehr Flugjagd angewandt. In Einzelfällen entwickeln Turmfalken spezielle Jagdmethoden. In der Regel wird nicht mehr erbeutet als auch verbraucht werden kann. Sind die Jagdbedingungen jedoch ausnahmsweise sehr günstig, dann kommt es vor, dass der Turmfalke die Beute als Vorrat in Verstecken lagert. Die Entwicklung des Beutefangverhaltens der jungen Turmfalken ist ein komplexer Vorgang, in dem das Reifen von angeborenen Verhaltensweisen und Lernprozessen zusammenwirken.
Im Lebensalter von sieben Wochen schaffen es nur ein Drittel der Jungfalken, eine Maus zu erbeuten. Während dieser Zeit werden aber die Jungfalken noch von den Altvögeln gefüttert. Erst im Alter von zwölf Wochen sind etwa 90 Prozent der begonnenen Beutefanghandlungen erfolgreich. Junge Falken verhalten sich gegenüber lebender Beute zunächst vorsichtig. Von den Altvögeln sind sie die Fütterung mit toten Beutetieren gewöhnt. Bis zum Alter von 13 Wochen haben immerhin 15 Prozent der Jungfalken regelrecht Angst vor einer kleinen Maus. Sie fliehen, gehen in Abwehrstellung oder drohen mit dem Schnabel. Doch die meisten Jungen sind mutiger. Sie zupfen mit dem Schnabel und Fängen an den Ohren, am Schwanz oder den Beinen der Maus. Aber nur 20 Prozent beißen die Maus tot. Das Beutemachen wird wie bei einigen Säugetieren der Fall im Spiel gelernt.
Im Verlauf eines solchen Mäusefang-Spiels wird eine Maus bis zu 24mal hintereinander gefangen und wieder freigelassen. Dabei umkreist der Falke die Maus mit erhobenen Flügeln oder flügelschlagend, fängt sie, beknabbert sie leicht und läßt sie wieder laufen. Die Jagdtechnik der Jungfalken unterscheidet sich zunächst deutlich von den Altvögeln. Jungfalken erbeuten lebende Mäuse immer auf dem Boden. Sie verfolgen die Mäuse zu Fuß und erbeuten sie im Sprung aus geringer Distanz. Erst ab zwölf Wochen werden Mäuse auch aus dem Ansitz erbeutet. In der freien Natur gibt es Mäuselöcher zum Verstecken. Deshalb werden von gerade selbständigen Jungfalken kaum Mäuse oder Vögel erbeutet, was sich dann im Spätsommer aber schnell ändern kann. Eine typische Verhaltensweise beim Beuteschlagen und Verzehren ist das sogenannte Manteln, das heißt das Spreizen der Flügelfedern und Schwanzfedern. Dieses Manteln hat wohl zweierlei Funktion. Einerseits manteln schon Nestlinge im Alter von etwa zwei Wochen, um Beutestücke für sich allein zu haben und vor den Nestgeschwistern zu verbergen und zu verteidigen, andererseits ist das Manteln beim Schlagen von großen Beutestücken signifikant häufiger als bei kleinen. Dies kann als Drohgebärde gegen die Beute verstanden werden, das heißt der Falke macht sich durch die Geste des Mantelns groß. Manteln nach dem Schlagen der Beute ist eine gegen andere Falken gerichtete Gebärde und bedeutet, dass der Falke die Beute für sich alleine haben möchte. Dieses Verhalten tritt daher bei Tieren, die alleine jagen, nicht auf.


Fortpflanzung / Brutplatz


Falken bauen selbst keine Nester und sind somit auf Strukturen angewiesen, die ein Nisten ermöglichen. Dabei werden natürliche Brutplätze und anthropogene Nistplätze unterschieden. Natürliche Brutplätze sind Felswände, in denen in lockeren Kolonien bis zu sieben Turmfalkenpaare in der Felswand brüten. Des weiteren nutzen Turmfalken Baumnester, die von anderen Vögeln gebaut wurden. In der heutigen Kulturlandschaft werden vorwiegend die Kunstfelsen der menschlichen Zivilisation besiedelt. Die höchsten Bauwerke sind zweifellos die Kirchtürme, die die Turmfalken bewohnen.
Zu den wichtigsten Nestlieferanten zählen unter anderem die Horste der Mäusebussarde (Buteo buteo), die Nester von Elstern (Pica), Raben (Corvinae) und Saatkrähen (Corvus frugilegus). Baumnester werden in der offenen Landschaft, Baumreihen und kleinen Feldgehölzen angenommen, seltener an den Rändern großer Wälder. In großen geschlossenen Waldkomplexen brüten keine Turmfalken. In einigen Gebieten wurden Turmfalken vereinzelt als Bodenbrüter festgestellt. Die Palette der genutzten Bauwerke reicht von Fabrikschornsteinen, Ruinen, Masten von Starkstromleitungen, Hochhäusern, Industrieanlagen, Brücken und ähnlich exponierten Gebäuden bis hin zu nur wenige Metern hohen Feldscheunen oder Hausgiebeln. Zu den außergewöhnlichen Brutplätzen zählen Heumieten unter freiem Himmel und sogar riesige Braunkohlenbagger der Tagebaue. Bauwerke und Kunsthorste erlauben die Besiedlung von Landschaften, die vorher frei von jeder Brutmöglichkeit waren. Aufgrund der hohen Plastizität bei der Nistplatzwahl weist das Bruthabitat eine große Variationsbreite auf. Die Palette reicht von völlig anthropogenen Bruthabitaten in Städten, über den Brutplatz an einem Bauernhof inmitten der Agrarlandschaft bis zum natürlichen Baumhorst oder Felsenhorst.


Revierbesetzung


Im März beginnen die oftmals heftigen Auseinandersetzungen um ein Revier und um einen guten Brutplatz. Je nach Breitengrad haben die Falken ein Winterterritorium oder kommen aus ihrem Winterquartier zurück und suchen sich Revier und Partner. Hauptstreitobjekt zwischen den Männchen, aber auch zwischen Paaren, ist der Brutplatz. Dieser bestimmt in den folgenden drei Monaten das Aktivitätszentrum. Der Besitz von Revier und Brutplatz ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Aufzucht des Nachwuchses.
Bei ziehenden Populationen dauert die Revierbesetzungsphase und Paarbildung etwa einen Monat, manchmal sogar noch länger. Die Männchen kommen meist etwas früher und besetzen ein Territorium. Die später eintreffenden Weibchen wählen dann das Männchen wahrscheinlich nach zwei Gesichtspunkten aus. Erstens muss sein Revier und der Brutplatz zusagen, was möglicherweise mit der Frequenz der Balzfütterungen durch das Männchen zusammenhängt und zweitens verpaaren sich die Turmfalken mit ähnlichem Alter und Erfahrung häufiger als solche mit verschiedenem Alter. Paare, die aus zwei alten, erfahrenen Turmfalken oder aus einjährigen jungen Turmfalken bestehen, sind öfter anzutreffen als Mischpaare aus einem alten und einem jungen Partner (Village, 1985). Die Verpaarungsphase dauert durch die zum Teil sehr aggressiven Revierkämpfe bei ziehenden Populationen länger als bei standorttreuen Turmfalken.

Revierverteidigung


Standorttreue Populationen und Paare können nur in relativ warmen, ozeanischen Klimaten (wintermild) Mitteleuropas und Südeuropas den Winter über existieren. Die Männchen oder auch beide Partner bleiben während des Winters im Territorium. Die Paare kennen sich untereinander. Daher kommt es zu viel weniger nachbarschaftlichen Streit, wenn einzelne Partner oder sogar ein komplettes Paar ersetzt werden, weil die vorhergehenden Revierbesitzer zu Tode gekommen sind. Trotzdem passiert dies nicht selten. Auch während dieser Phase kommt es durch Kämpfe immer wieder zu tödlichen Verletzungen. Revierkämpfe sind für Revierinhaber störend, denn sie halten die Paare davon ab, das Brutgeschäft optimal durchzuführen. Standorttreue Populationen müssen weniger Zeit und Kraft aufwenden, weil ihre Reviere über den Winter mehr oder weniger bestehen bleiben. Diese Falken sind im Vorteil, denn sie müssen weniger für ihren Nachwuchs Energie aufwenden.


Balzverhalten


Von Anfang an sind die Rollen im Brutgeschäft klar verteilt. Das Männchen füttert ausschließlich sein Weibchen, das während dieser Zeit das Nest bewacht und nach Falkenart herrichtet. Soweit der Untergrund es zuläßt, wird eine Nestmulde ausgescharrt und mit dem Körper regelrecht ausgedreht. In Nistkästen, die mit etwas Sand gefüllt sind, geht dies hervorragend, ebenso in schon lange bewohnten Gebäudenischen, die durch Nahrungsreste, Gewölle und anderes eine dicke Substratschicht auf dem Boden aufweisen. Falken, die auf dem nackten Boden brüten müssen, verlieren nicht selten Eier, die beim Abfliegen des Weibchens leicht wegrollen und dabei häufig zerbrechen. Erfahrene Brutvögel würden einen solchen Platz kaum wählen. Jungfalken dagegen, die zum ersten Mal brüten, haben öfter solche Schwierigkeiten.
Die eigentliche Balz und Begattung spielen im Grunde genommen eine untergeordnete Rolle. Sie erfolgt meist in der Nähe des Horstes. Ungefähr vierzehn Tage vor der Ablage des ersten Eies finden täglich Kopulationen statt, die ihren Höhepunkt etwa eine Woche vor dem ersten Ei haben. In dieser Zeit kann man bis zu 20 Paarungen pro Tag zählen. Die Paarungsaufforderung kommt meist von dem Weibchen. Sie wird durch eine besondere Körperhaltung signalisiert. Das Weibchen senkt zunächst den Kopf und den Schwanz und läßt die Flügel leicht abgespreizt hängen. Der Terzel springt daraufhin auf ihren Rücken und hockt sich auf seine Fersengelenke. Unter lautem Rufen und Flügelschlagen bringt dann das Männchen seine Kloake auf die des Weibchens. Die eigentliche Begattung dauert nur wenige Sekunden, kann aber mehrmals innerhalb von einigen Minuten wiederholt werden. Sie erfolgen meistens in den frühen Morgenstunden oder nicht selten nach einer Beuteübergabe, die auch Balzfütterung genannt wird. Das Weibchen bettelt das Männchen an, ähnlich wie es die jungen Turmfalken tun. Nach Beendigung der Legephase lassen die Paarungen merklich nach.


Gelegegröße


In der Regel legt der weibliche Turmfalke etwa fünf Eier pro Gelege. Ein bis drei Eier werden nur von einem jungen Weibchen produziert oder auch bei Abbruch einer Brut. Neuner Gelege können ausnahmsweise von einem Weibchen stammen, sind aber meist auf ein zweites Weibchen zurückzuführen. Nur sehr selten werden zwei Weibchen an einem Nest beobachtet. Ein Terzel kann auch zwei Weibchen in verschiedenen Nestern versorgen und somit zwei Bruten gleichzeitig aufziehen. Solche Fälle von Polygynie treten aber nur unter extrem guten Nahrungsbedingungen und bei Mangel an Männchen auf. Der mittlere Legetermin liegt Ende April. Die Jungen schlüpfen Ende Mai und fliegen Ende Juni aus. In einigen Regionen brüten Turmfalken auch sehr spät, nämlich Anfang bis Mitte Mai. Die Eier des Turmfalken sind rundoval, feinkörnig, glanzlos und wiegen etwa 21 Gramm. Ihre Zeichnung ist außerordentlich variabel. Sie sind auf weißlichem Grund mehr oder weniger stark gefleckt. Die Eier weisen alle Schattierungen zwischen einem blassen Lehmbraun und einem dunklen Rotviolettbraun auf. Während der Wärmphase können die Eier, bedingt durch das Substrat in der Brutnische und Abrieb beim Wenden der Eier durch das Weibchen etwas heller werden. Die Eimaße betragen im Mittel 39,6 Millimeter mal 31,9 Millimeter. Kleine Eier messen bis 32,00 Millimeter mal 25,00 Millimeter oder 32,5 Millimeter mal 24,5 Millimeter. Große Eier messen dagegen bis 45,4 Millimeter mal 34,6 Millimeter oder 45,3 Millimeter mal 35,2 Millimeter. Auch Eivolumen und Eigewicht können dementsprechend beträchtliche Differenzen aufweisen. Im Mittel beträgt das Volumen 21,2 Kubikzentimeter (Minimum 10,2 Kubikzentimeter), was in etwa dem Eigengewicht entspricht. Eier aus einem Gelege weisen sehr konstante Maße und auch eine ziemlich gleiche Färbung auf.


Brutdauer


Der weibliche Turmfalke verbringt einen großen Teil des Tages dösend auf dem Nest. Unterbrechungen gibt es nur dreimal bis fünfmal am Tag, wenn der Terzel sein Futter übergibt. Dies geschieht meist in der Nähe des Nestes, oft in Sichtweite auf einem exponierten Geländepunkt oder Gebäudeteil. Das Weibchen wird mit einem typischen Lockruf zur Nahrungsübergabe aus dem Nest gelockt. Schon ein bis zwei Tage vor dem Schlupf wird das Weibchen unruhig und steht oft auf. Manche Weibchen horchen geradezu mit geneigtem Kopf, ob sich etwas im Ei regt. Sie können mit einiger Sicherheit das Junge im Ei hören. Bedingt durch Abrieb und Wasserverluste durch Verdunstug wiegt ein Ei zum Schlupfzeitpunkt nur noch 17 bis 19 Gramm. Wird noch das Gewicht der Schale von 1,5 Gramm abgezogen, dann beträgt das Kükengewicht je nach Eigröße etwa 15 bis 18 Gramm.
Schon in 20 Tagen werden die Jungen etwa vierzehnmal schwerer sein. Nachdem ein Küken sich mit seinem Eizahn den Weg in die Freiheit mühsam erarbeitet hat, ist das Küken noch naß und unansehnlich. Nach einigen Stunden in der Wärme des noch brütenden Weibchens ist das Küken von einem weißen, ersten Dunenkleid mit einer relativ dichten schützenden Hülle umgeben. Trotzdem sieht man überall die Haut durch die dünn aussehenden Dunenfedern scheinen. Ohne die Wärme des Weibchens sind die Jungen jedoch keineswegs lebensfähig. Die Körpertemperatur der Nestlinge verläuft parallel mit der Körperentwicklung. Wenn die Außentemperatur zu niedrig ist, bilden die Nestlinge, um sich gegenseitig zu wärmen, eine Wärmepyramide. Trotz der Legeabstände von zwei Tagen schlüpfen die Jungen innerhalb von zwei bis vier Tagen. Dieser Zeitausgleich ist wichtig, besonders für die Kleinsten. Er kommt dadurch zustande, dass das Weibchen erst mit dem dritten Ei zu brüten beginnt.
Bis zum siebten oder achten Tag behalten die Küken ihr erstes Dunenkleid und werden noch ständig von dem Weibchen gehudert. Die Jungen wiegen jetzt etwa 50 bis 80 Gramm. Allmählich werden sie zu groß und zu agil, um von dem Weibchen noch richtig bedeckt zu werden. Der enorme Gewichtszuwachs hält bis zum 20. Lebenstag an. Bis dahin haben sich die Jungen völlig verändert. Während der ersten beiden Tage nach dem Schlupf zehren sie noch teilweise von ihrem Dottersack, ihrer Überlebensration, die sie aus dem Ei mitbringen. Sie werden ab sofort von dem Weibchen gefüttert, in dem sie den Küken fein zerkleinerte Muskelfleischstückchen schnabelgerecht hinhält. Gefüttert wird, solange die Kleinen betteln.
Das Aggressivste bekommt daher das meiste Futter, was oft zu Lasten des Nesthäkchens geht. Etwa am achten Tag brechen die grauen Federchen des zweiten Dunenkleides durch, dessen Reste sich bis zum Ausfliegen der Jungen halten. Zur gleichen Zeit werden die ersten Blutkiele der Flügelfedern im Handbereich des Flügels sichtbar, die sogenannten Handschwingen und wenige Tage später kommen die Stoßfedern dazu. Die Entwicklung der Armschwingen setzt um den 12. Lebenstag ein. Kurze Zeit später verliert sich dann auch der Eizahn auf dem Oberschnabel, der nur für den Schlupf gebraucht wurde.
Der Eizahn fällt einfach ab und wird wahrscheinlich durch das Schnabelwachstum abgesprengt. Ab der dritten Lebenswoche werden die Jungen, die vom Gewicht her ausgewachsen sind, sehr aktiv und üben mit den stark gewachsenen Flügeln. Bis zum Ausfliegen kommt von den geschlüpften Jungen je nach Bedingungen etwa jedes siebte bis dritte Tier zu Tode. Die Ursachen sind vielfältig: Kälte, Regen, Nahrungsmangel, Unfälle, aber auch in geringem Maße Prädatoren wie Eulen oder in Baumnestern auch Elstern, die junge Turmfalken erbeuten können. Auch die ersten Ausflüge können für die Jungen tödlich enden. Genickbrüche bei Anflügen an Gebäuden oder Fahrzeugen sind nicht selten. Die Verdrahtung der Landschaft führt immer wieder zu offenen Flügelbrüchen, die Folge ist oftmals ein qualvoller Tod durch Verhungern. In den ersten zwei bis drei Wochen stehen Unfälle als Todesursache im Vordergrund. Nahrungsprobleme gibt es nur bei schlechtem Wetter, denn die Altvögel versorgen die laut bettelnden Jungen noch etwa einen Monat weiter. Neben dem Fliegenlernen muß der junge Turmfalke das Jagen üben. Beutestücke in den Fängen zu halten und zu zerlegen, lernen die Jungen schon mit zweieinhalb Wochen im Nest.
Das Erbeuten von Mäusen aus dem Rüttelflug ist jedoch eine hohe Kunst, ebenso das Schlagen eines Vogels. Daher besteht die Beute der Jungen überwiegend aus Würmern und Insekten. Die Phase der ersten totalen Selbständigkeit beginnt etwa vier bis sechs Wochen nach Verlassen des Nestes und fällt meist in den Monat August. Jungvögel, die jetzt noch nicht fit genug im Jagen sind, magern schnell ab und können leicht verhungern. Die Überlebensrate der Jungen wird in dieser ersten Zeit der Selbständigkeit entscheidend von ihren individuellen Fähigkeiten zu jagen, von der Nahrungsverfügbarkeit und auch von den Witterungsbedingungen beeinflußt.


Dispersion


Die Abwanderung der Jungen respektive das Verlassen des Brutreviers, die auch Dispersion genannt wird, beginnt ab Juli nach der Familienauflösung. Die Entfernungen, die dabei zurückgelegt werden, sind sehr unterschiedlich. Viele Jungvögel fliegen 50 bis 100 Kilometer von ihrem Geburtsort weg, wobei die Richtung keine große Rolle spielt. Manche entfernen sich auch weiter. Es ist bis heute unklar, welcher der beiden Faktoren für die Dispersion verantwortlich sind. Man vermutet, dass die fehlende Fütterung oder das Vertreiben von ihren Altvögeln aus dem Revier ausschlaggebend sei. Es kann aber eine Kombination beider Faktoren sein: Die Jungen werden nicht mehr mit Nahrung versorgt, die Altvögel reagieren zunehmend aggressiver und verhalten sich territorial gegen die eigenen Jungen. Dies zwingt die jungen Turmfalken dann, in Gebiete abzuwandern, wo derzeit keine Turmfalken-Territorien verteidigt werden. Die Jugenddispersion des Turmfalken bewirkt eine Durchmischung der Population, da die Jungen nur in etwa ein Prozent aller Fälle dort brüten, wo sie selbst aus dem Ei geschlüpft sind. In der Regel liegen ihr späterer Brutort und das Territorium der Altvögel mindestens 50 Kilometer auseinander.


Gefährdung und Schutz


Der Turmfalke gehört heute noch nicht zu den bedrohten Vogelarten. Das globale Verbreitungsgebiet der Populationen erstreckt sich annähernd von über 10.000.000 Quadratkilometern. Die globale Population wird auf etwa 5.000.000 Turmfalken (Ferguson-Lees et al., 2001) geschätzt. Der Turmfalke ist in weiten Teilen dieses großen Areals meist häufig anzutreffen. In der Roten Liste der IUCN wird der Turmfalke als least concern (nicht gefährdet) geführt.
Auch wenn der Turmfalke in der Roten Liste der IUCN noch nicht zu den bedrohten Vogelarten zählt, so muss doch zum Thema Naturschutz auch die Sache mit der Jagd angesprochen werden. So mancher Jäger hat auch heute noch ein gespanntes Verhältnis zu Greifvögeln und möchte am liebsten die Populationsregulation über den Doppellauf einer 12er Flinte wieder einführen. Ziel dieses Wunsches sind natürlich in erster Linie Habicht (Accipiter gentilis) und Mäusebussard (Buteo buteo), aber auch Turmfalken, die ahnungslos in einem solchen Horst brüten, laufen Gefahr ausgeschossen zu werden. Dies war und ist ein leider probates Mittel der Brutvernichtung und stammt noch aus Zeiten der bezahlten Greifvogelvernichtung. Ein bis zwei Schrotladungen von unten durch den Horst geschossen, reichen völlig aus, um Gelege und Küken oder Jungvögel zu töten. Es gibt aber eine klare gesetzliche Regelung: Greifvögel sind zwar nach dem Jagdgesetz jagdbar, unterliegen aber einer ganzjährigen Schonzeit. Des Weiteren kommt es durch Baumodernisierungen, neue Dächer oder dichtgemachte Kirchtürme zu Brutplatzmangel, sofern nicht früh genug Ersatz geschaffen wird. Beispielsweise werden fast überall Kirchtürme taubendicht gemacht. Dabei werden Luken und Öffnungen von Kirchtürmen und von anderen Gebäuden verdrahtet. Damit werden Eulen (Strigiformes) und Turmfalken ausgesperrt, obwohl diese Maßnahme nur gegen Tauben gerichtet ist.
Für den praktischen Naturschutz vor Ort kann durch Erfassung, Instandhaltung und Pflege von Brutplätzen einiges getan werden. Dies muss nicht immer nur die Aufgabe eines Artbeschreibers oder eines Beringers im Rahmen wissenschaftlichr Untersuchungen sein. Der organisierte Naturschutz kann überwachen und eventuell eingreifen oder mit Rat und Tat den zuständigen Gebäudebesitzern zur Seite stehen. Eine lohnenswerte Aufgabe, da auch noch Arten wie Fledermäuse (Microchiroptera), Steinmarder (Martes foina) sowie Bilche (Myoxinae) in entsprechenden Gebäuden Unterschlupf finden.


Literatur und Quellen - Tierdoku.com
Siehe auch:
§ Hauptartikel: Die Klasse der  Vögel (Aves)
§ Prof. Dr. Dr. H. C. Bernhard Grzimek: Grzimeks Tierleben. Band 7-9 Vögel. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG München (1993) ISBN 3-423-05970-2
§ Gottfried Mauersberger, Wilhelm Meise: Urania Tierreich, 7 Bde., Vögel.Urania, Stuttgart (1995) ISBN 3423032049
§ Einhard Bezzel, Roland Prinzinger: Ornithologie, Utb, 1990, ISBN 3800125978
§ Hans-Heiner Bergmann: Die Biologie des Vogels. Aula, 1987, ISBN 389104447X
§ Renate Kostrzewa und Achim Kostrzewa: Der Turmfalke. Überlebensstrategien eines Greifvogels. Sammlung Vogelkunde im Aula-Verlag, Aula-Verlag Wiesbaden 1993, ISBN 3-89104-531-X
§ Rudolf Piechocki: Der Turmfalke. Ziemsen, Wittenberg 1991. ISBN 3-7403-0257-7
§ Dr. Einhard Bezzel: Der zuverlässige Naturführer. BLV Handbuch Vögel. 3. überarbeitete Auflage (2006). BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München.ISBN 3-8354-0022-3; ISBN 3-8354-0022-1
§ Dr. Einhard Bezzel: BLV Handbuch Vögel. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 1995.ISBN 3-405-14736-0
§ Pierandrea Brichetti: Vögel. In Garten, Park und freier Natur. Neuer Kaiser Verlag , 2002.ISBN 370431322X
§ Rob Hume: Vögel in Europa. Dorling Kindersley; Auflage: 1 (Januar 2003) ISBN 3831004307
§ Hermann Heinzel, Richard Fitter, John Parslow: Pareys Vogelbuch. Blackwell Wissenschafts-Verlag (1996) ISBN 3826381211X
§ Manfred Pforr, Alfred Limbrunner: Ornithologischer Bildatlas der Brutvögel Europas, Band 2. Weltbild Verlag GmbH, Augsburg, 1991 ISBN 3894400072
Links
Rote Liste des IUCN - Turmfalke (Falco tinnunculus)
Nabu: Vogel des Jahres 2007 - Der Turmfalke (Falco tinnunculus)
Avibase: Unterarten des Turmfalken (Falco tinnunculus)